Napola
Emsland – Eliteschule der Diktatur 1941-1945
Gestapo stürmt das
Kloster Am Morgen des 9. Juli 1941
umstellten 15 Beamte der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) das
Ursulinenkloster in Haselünne. Nachdem sie einen Teil der Schwestern in die Aula
eingesperrt hatten, durchsuchten sie in mehreren Gruppen alle Klostergebäude.
Nach fünf Stunden wurde die
Gestapo 'fündig'. Mit der Feststellung, der Salat wäre geschossen, die im
Keller lagernden Kartoffeln nicht entkeimt und in der Bibliothek seien
englische Flugblätter 'gefunden' worden, verließen die Beamten zunächst das
Kloster. Sogenannte feindliche Flugblätter tauchten auch bei anderen
Hausdurchsuchungen immer wieder als Belastungsmaterial auf. Doch, so auch in
Haselünne, konnten sich die Hausbewohner deren Herkunft nicht erklären. Es
ist als sicher anzusehen, dass die Flugblätter von der Gestapo in das Kloster
mitgebracht worden sind. Exodus der Ursulinen Am Nachmittag des folgenden
Tages, dem 10. Juli 1941, kehrten die Gestapobeamten
zurück. Die Hitlerjugend saß auf den Zäunen und pfiff, als die Männer der
Gestapo das Kloster betraten. Die Gestapobeamten
versperrten alle Ausgänge und nahmen die Schlüssel des Klosters an sich. Dann
eröffneten sie den Schwestern, dass diese 'Staatsfeinde' seien. Grundstück
und Inventar wurden beschlagnahmt und den Ursulinen befohlen, ihr Kloster
innerhalb 24 Stunden zu verlassen. Siebzig Schwestern mussten am
11. Juli 1941 aus dem Haselünner Ursulinenkloster
ausziehen. Die Haselünner Bevölkerung half den
Nonnen beim Transport ihrer Habe und begleitete sie zum Bahnhof. Von dort
fuhren die Schwestern zum Ursulinenkloster St. Angela-Haste, wo sie zunächst
für einige Tage Unterkunft finden sollten. Zusammen mit den Schwestern
verloren 120 Schülerinnen, die im Internat lebten, ihre Schule. Widerstand – ohne Erfolg Der Zeitpunkt für die Räumung
des Klosters war günstig gewählt worden. Die nationalsozialistische Bewegung
hatte ihren Höhepunkt erreicht, der gerade erst begonnene Feldzug gegen die
Sowjetunion brachte eine Siegesbotschaft nach der anderen. Die emsländische Bevölkerung betrachtete die Schließung des
Klosters, so die Einschätzung eines SS-Offizieres,
als einen Übergriff des Staates und nicht zu rechtfertigenden Schritt der
Partei. Wohl auch um die Bevölkerung zu beruhigen, wurden für kurze Zeit
Flüchtlinge im Kloster untergebracht. Kritiker des Haselünner
Klostersturms, wie der Cloppenburger Amtshauptmann Münzebrock, wurden von der Gestapo zum Schweigen
gebracht. Der Osnabrücker Bischof Berning, in dessen Bistum neben dem Haselünner
Kloster noch sieben weitere Ordenshäuser von der Gestapo durchsucht und
geschlossen wurden, beschwerte sich im August 1941 bei den zuständigen
Reichsministerien für Inneres und für Kirchenangelegenheiten. Angesichts der
Geschehnisse kann man seine Briefe in dieser Angelegenheit jedoch nur als
harmlos bewerten. Sie sind ein weiteres Indiz für die Appeasement-Politik Bernings, der Papst Pius XII. noch im Oktober 1940 vor
"unnötiger Verärgerung der jetzigen Regierung" warnte und seinen weltlichen
Titel als preußischer Staatsrat, entgegen dem Wunsch des Vatikans, nicht
niederlegte. Die katholische Front
aufbrechen Doch warum wurde das Haselünner
Ursulinenkloster von den Nationalsozialisten beschlagnahmt? Diese Frage lässt
sich mit einem Blick auf die Geschehnisse des 17. Oktober 1941 beanworten: an diesem Tag zogen einige Schüler und Lehrer
der Nationalpolitischen Erziehungsanstalt Ilfeld/Südharz in das ehemalige Kloster ein. Sie waren die
ersten Schüler, Jungmannen genannt, der neu gegründeten Nationalpolitischen
Erziehungsanstalt (NPEA) Emsland. Die
geographische Lage des Haselünner Ursulinenklosters
entsprach den Idealvorstellungen der Nationalsozialisten. Sie sahen als ein
wichtiges Ziel der Nationalpolitischen
Erziehungsanstalten, in die "Hochburgen der Schwarzen"
einzudringen, wo "die katholische Kirche bisher einen guten Teil ihres
Führernachwuchses gezogen (hat) auf Grund ihrer dort errichteten Konviktschulen.", so der Leiter der Haselünner NPEA
in einem ausführlichen Bericht, der in den Akten von Hitlers Reichskanzlei
erhalten geblieben ist. Vor der Weitergabe an den Chef der Reichskanzlei,
Reichsminister Lammers, haben Beamte „die wesentlichen Stellen des ganz
interessanten Berichts“ rot unterstrichen. [Die Abschrift
des Dokuments kann hier im pdf-Format
eingesehen werden!] In den
Jahren des Bestehens der NPEA Emsland wurden Volksschullehrer in der gesamten
Weser-Ems-Region aufgefordert, besonders begabte Schüler der Napola zu
melden. Daraufhin wurden die Eltern mit ihren Jungen zu Aufnahmeprüfungen
nach Haselünne eingeladen. Einige Familien widersprachen, doch zahlreiche
sahen für ihre Kinder im Napola-Besuch die Chance
auf eine kostenlose, gymnasiale Internatsausbildung. Napola – Jungmannen im Klostergarten „Napola“,
das war die gebräuchliche Abkürzung für „Nationalpolitische
Erziehungsanstalt“. In diesen Internatsoberschulen des Dritten Reiches
sollten Schüler im Alter von 10 bis 18 Jahren zur „Führergeneration“
herangezogen werden. Rund 6.000 sogenannte „Jungmannen“ wurden in den Napolas ausgebildet. Unter ihnen finden sich heute so
bekannte Namen wie der Journalist und Literaturkritiker Hellmuth Karasek, Ex-Bahn-Chef Heinz Dürr oder der
Künstler Horst Janssen, von 1941 bis
1945 Napola-Schüler in Haselünne. Die Nationalpolitischen
Erziehungsanstalten (NPEA), von den nationalsozialistischen Machthabern als
Ausleseschulen konzipiert, waren den Gymnasien gleichgestellt und wurden als
Nachfolger der preußischen Kadettenanstalten ins Leben gerufen. In den NPEA
sollte die zukünftige Elite der Diktatur herangezogen werden. Finanziert
wurden die NPEA von der SS. Absolventen der NPEA sollten jedoch nicht nur in
den Reihen der SS, sondern in allen Bereichen von Wehrmacht, Partei und
Verwaltung eingesetzt werden. In einem Wechselspiel von
Verführung und Zerstörung wurden die Jungen konsequent dem zivilen Leben
entzogen. Neben dem gymnasialen Unterricht gehörten der körperliche Drill und
die ideologische Indoktrination für sie zum Alltag. Außergewöhnliche
Angebote, vom Reiten in den Wiesen und Wäldern um Haselünne über das Rudern
auf dem Fluss Hase bis zum Segelfliegen, und das Versprechen einer künftigen
Eliteposition: kein Schüler bleib davon unberührt. Und letztlich sollte ihnen
auch, wie es Hellmuth Karasek 2005 zusammenfasste, Kadavergehorsam eingebläut
und jede Menschlichkeit ausgetrieben werden. Die Beschlagnahme des
Ursulinenklosters blieb nicht die einzige im Zusammenhang mit der Errichtung
der NPEA Emsland. Auf Betreiben des Leiters der NPEA Emsland und der Haselünner Stadtverwaltung wurde im Januar 1942 das Haus
der jüdischen Familie Steinburg in der Nordstraße 2 beschlagnahmt. Samuel und
Henny Steinburg mit ihren Kindern Hans (14), Anna (19) und Hildegard (17)
mussten ihr Zuhause umgehend verlassen. Das Haus wurde zugunsten des
Deutschen Reiches enteignet und vom Leiter der NPEA Emsland als Dienstwohnung
genutzt. Rückkehr der Ursulinen
nach Haselünne Nach fast fünf Jahren kehrten
die Haselünner Ursulinen, die über das ganze
Deutsche Reich zerstreut in anderen Klöstern Zuflucht gefunden hatten, im
Frühling 1945 in ihr durch Kriegseinwirkungen schwer verwüstetes Kloster
zurück. Die jüdische Familie Steinburg wurde in das Ghetto Riga verschleppt
und in einem Konzentrationslager ermordet. Zahlreiche der
ehemaligen Jungmannen haben führende Positionen in Wirtschaft und
Gesellschaft erreicht. Allerdings nicht im Dritten Reich, sondern in der
Bundesrepublik, in deren Universitäten sie zu Führungspersönlichkeiten der
Nachkriegsdemokratie geformt wurden. Abriss des Schulgebäudes
im Jahr 2021 Der Schulausschuss des
Landkreises Emsland hat am 30. September 2020 mit der absoluten Mehrheit der
CDU-Mitglieder den Abriss des Schulgebäudes beschlossen. Der Kreisausschuss
bestätigte diese Entscheidung in nicht-öffentlicher Sitzung. Darüber hinaus
forderte er die Kreisverwaltung auf, die mit dem Abriss erforderlich werdende
Neugestaltung des Schulhofes zu planen (Beschlussprotokoll). Der Kreistag bewilligte am 18.
Januar 2021 mit der Stimmenmehrheit der CDU 350.000 Euro für den Abriss. Damit stellte sich der Kreistag
offen gegen die Gedenkstättenstiftung des Landes Niedersachsen, die ein
Moratorium fordert: "Denn gerade die Sicht der Denkmalpflege auf frühere
NS-Gebäude befindet sich derzeit in einem Prozess der Schärfung und damit
veränderten Gewichtung." (dpa-Meldung vom 13. Januar 2021). In Haselünne setzte sich eine
Bürgerinitiative seit 2017 für den Erhalt des Schulgebäudes ein. Ebenso der
örtliche Heimatverein. Die SPD
sowie Bündnis 90 / Die Grünen
forderten unterstützend ein Moratorium. Noch einen Schritt weiter geht die
FDP, die die Nutzung des Altbaus als Grundschulstandort
zum Thema macht. Die CDU-Mehrheitsfraktion im Stadtrat veröffentlichte drei
Tage vor dem geplanten Abrisstermin eine Stellungnahme, in der
sie nachdrücklich den Abriss fordert. Die Replik
der Bürgerinitiative auf diese Forderung erfolgte am 31. Januar 2021.
Doch letztlich blieb der für emsländische Verhältnisse
starke Widerstand aus der Bevölkerung erfolglos. Im April 2021 wurde der
Schulaltbau abgerissen. |
Die von der Gestapo
vertriebenen Ursulinen werden am 11. Juli 1941 von der Haselünner
Bevölkerung herzlich verabschiedet. |
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Jungmannen
der NPEA Emsland marschieren aus der Adolf-Hitler-Straße (heute: Kolpingstraße) kommend zum Haupteingang der Napola (heute: Klosterstraße). |
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Haselünner Napola-Schüler im Unterricht. Das Schulgebäude ist nahezu
im Originalzustand erhalten, aktuell jedoch vom Abriss bedroht. |
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Jungmannen beim Sportwettkampf im ehemaligen Klostergarten. |
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Blick in die Krankenstube der NPEA Emsland. |
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April 2021: Das Schulgebäude wird abgerissen. |